„Der Dialogprozess wird breit und offen geführt.“

An zwei Wochenenden entwickeln die Teilnehmenden unterschiedliche Perspektiven für das Tempelhofer Feld. Wie die Dialogwerkstätten ablaufen und in den gesamten Prozess integriert sind, beschreibt Ina Metzner vom durchführenden nexus Institut.

Bild von Ina Metzner vom nexus Institut

Der Berliner Senat für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat die öffentliche Diskussion mit einem Dialogprozess neu angestoßen. Was genau versteht man eigentlich unter einem solchen Verfahren?

Ein Dialogprozess ist ein Format der Bürgerbeteiligung und Diskussion. Hier sollen Menschen miteinander ins Gespräch kommen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen. Alle sollen dabei ihre unterschiedlichen Perspektiven, Ansichten und Erfahrungen einbringen können. Gemeinsam wird diskutiert, sich eine Meinung gebildet und ein Ergebnis erarbeitet, zum Beispiel Empfehlungen zur Lösung einer bestimmten Frage. Oder es werden Ideen und Visionen für mögliche zukünftige Entwicklungen gesammelt. Manchmal geht es auch darum, Leitlinien dafür zu finden, wie ein bestimmtes Problem oder eine Frage gelöst werden soll.

Diese Ergebnisse werden dann veröffentlicht und an die Politik, die Verwaltung und die Öffentlichkeit übergeben, damit die Empfehlungen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden können.

Wichtig ist bei einem Dialogprozess, und überhaupt bei allen Formaten der Bürgerbeteiligung, dass alle Teilnehmenden gut miteinander umgehen und dass die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Arbeit gestärkt und unterstützt werden, zum Beispiel indem Teilnahmehürden abgebaut werden oder eine Moderation für ein gutes und gleichberechtigtes Gesprächsklima sorgt. Die Teilnehmenden müssen fachlich informiert werden und es muss klar sein, welche Entscheidungsspielräume sie haben. Am wichtigsten ist aber, dass die Beteiligung innerhalb der Entscheidungsspielräume ergebnisoffen ist: Die Diskussionen der Teilnehmenden dürfen nicht gelenkt oder beeinflusst werden, etwa durch suggestive Fragen oder einseitige Fachvorträge.

Diese Grundlagen haben uns auch beim Dialogprozess Tempelhofer Feld geleitet. Angesichts des sensiblen Themas ist es uns wichtig, dass der Dialogprozesses breit und offen geführt wird, und eine Vielzahl von Ergebnissen möglich ist. Im gesamten Dialogprozess werden wir verschiedene Aspekte und Themen zum Tempelhofer Feld behandeln – von Grünräumen über Wohnen bis hin zu Gemeinwohl, Nachbarschaft und Freiräumen. Es ist hierbei willkommen, dass die Teilnehmenden ganz eigene Ideen entwickeln, was mit dem Tempelhofer Feld geschehen könnte. Alle Ergebnisse werden mit Spannung erwartet!

Der Dialogprozess dauert insgesamt etwa ein Jahr. Was genau passiert in dieser Zeit?

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Das Dialogverfahren startete offiziell mit einer Auftaktveranstaltung für die Teilnehmenden und dem Start der begleitenden Internetseite Anfang Juli 2024. Dort konnten sich die Teilnehmenden gegenseitig zwanglos kennenlernen, einen Einblick in den Dialogprozess erhalten und es wurden bereits Fragen für den weiteren Prozess gesammelt. Die Projekt-Webseite ermöglicht es der interessierten Öffentlichkeit, den Dialogprozess eng zu verfolgen. Dort sind die Informationen und Ergebnisse der Dialogwerkstätten transparent für Alle nachvollziehbar.

Kurz darauf beginnt auch die Kinder- und Jugendbeteiligung. Nach Anmeldung können Berliner Schulen und Hortbetreuungseinrichtungen an insgesamt 10 Terminen aus 15 Veranstaltungszeiten auswählen. Die Kinder und Jugendlichen setzen sich mit ihren Ideen für das Tempelhofer Feld auseinander. Die Ergebnisse fließen in die Dialogwerkstätten ein.

Im September 2024 finden dann die beiden ersten Dialogwerkstätten statt: In der 1. Dialogwerkstatt lernen die Teilnehmenden das Feld kennen: historisch, aber auch in seiner Bedeutung für Stadtgesellschaft, Klima, Freizeit und so weiter. Das Feld wird erlebbar gemacht, zum Beispiel durch gemeinsame Aussichten.

In der 2. Dialogwerkstatt erarbeiten die Teilnehmenden in kleineren Gruppen Vorschläge und Entwicklungsperspektiven für das Tempelhofer Feld.

Direkt im Anschluss an die Dialogwerkstätten startet der Ideenwettbewerb. Hier können Architektur- und Landschaftsplanungsbüros ihre Ideen zur Gestaltung des Tempelhofer Feldes einreichen. Die Rahmenbedingungen, wie das Tempelhofer Feld gestaltet werden könnte, werden aus den Ergebnissen der Dialogwerkstätten erarbeitet.

Nach dem Ideenwettbewerb findet eine 3. Dialogwerkstatt statt, in der die Teilnehmenden der ersten Dialogwerkstätten wieder zusammenkommen, die Ergebnisse des Wettbewerbs begutachten und sich mit den konkreten Beiträgen des Ideenwettbewerbs auseinandersetzen. Sie erarbeiten Empfehlungen für die Zukunft des Tempelhofer Feldes.

Wie werden die Teilnehmenden inhaltlich vorbereitet?

Die Teilnehmenden müssen kein Vorwissen mitbringen und sich auch nicht vorbereiten.
Alle Teilnehmenden werden die gleichen Informationen erhalten, um auf einer gemeinsamen Wissensbasis zu diskutieren und die Ergebnisse zu erarbeiten. Daher werden auf den Dialogwerkstätten Fachleute, Wissens- und Erfahrungsträgerinnen als Vortragende eingebunden. Wir achten dabei darauf, dass sie aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Tempelhofer Feld schauen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben Praktikerinnen und Praktikern.

Alle Ergebnisse werden dokumentiert und den Teilnehmenden zur Verfügung gestellt, damit sie sie in Ruhe nachlesen können.

Zentrale Elemente des Prozesses sind die Dialogwerkstätten, die an zwei Wochenenden im September stattfinden. Was passiert an diesen Wochenenden?

Das erste Wochenende dient dem Wissenserwerb. Die Teilnehmenden treffen zum ersten Mal auf das Feld, lernen seine Geschichte und die Hintergründe der Aufgabenstellung intensiv kennen. Zunächst geht es darum, zu verstehen, was das Tempelhofer Feld für ein Ort ist. Vorträge zur historischen Bedeutung, zum Tempelhof-Gesetz und zum Charakter des Dialogprozesses schaffen einen ersten Kontext.

Danach geht es darum, die Akteure auf dem Feld kennenzulernen: Welche Interessengruppen aus dem gesellschaftlichen und politischen Umfeld sind hier aktiv, aber auch aus den Bereichen Freizeit, Naturschutz, Kultur und Gastronomie. Ebenso werden die zuständigen Akteure, Verwaltungseinheiten und Aufgaben der Senatsverwaltung vorgestellt: Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, für Mobilität, Verkehr, Klima und Umwelt, der Denkmalschutz, die Bezirksverwaltungen und so weiter.

Anschließend werden die Themenbereiche vorgestellt, zu denen die Teilnehmenden am zweiten Wochenende arbeiten werden. Außerdem versuchen wir, das Tempelhofer Feld durch Ausblicke und praktische Einblicke für die Teilnehmenden erlebbar zu machen.

Am zweiten Wochenende geht es darum, in den Themenbereichen zu arbeiten und zu gemeinsamen Empfehlungen und Perspektiven zu kommen. Dazu werden die Teilnehmenden aufgeteilt, um Entwicklungsperspektiven des Tempelhofer Feldes in diesen fünf Themenbereichen zu erarbeiten:

  1. Grünräume, Klima und Natur
  2. Wohnen und Quartier
  3. Gemeinwohl und gesamtstädtische Bedarfe
  4. Möglichkeiten und Freiräume
  5. Nachbarschaften und Vernetzung

Es werden außerdem die Sachpreisrichtenden und ihre Stellvertretungen gewählt, die im anschließenden Ideenwettbewerb über die dann eingereichten Ideen mit abstimmen sollen.

Warum gibt es eine Kinder- und Jugendbeteiligung und welche Rolle spielt diese für die Dialogwerkstätten?

Junge Menschen sind oft von politischen Entscheidungen betroffen, haben jedoch selten Einfluss darauf. Es ist wichtig, dass auch sie ihre Standpunkte in die Diskussion über die Zukunft des Tempelhofer Feldes einbringen und aktiv an der Gestaltung und Entwicklung teilnehmen können.

Eine verstärkte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bereichert nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern qualifiziert auch Entscheidungsprozesse. Kinder und Jugendliche haben ein breites Verständnis von Räumen, Gebäuden und Nachbarschaften. Sie sind Expertinnen und Experten für ihre eigenen Bedürfnisse. Sie werden die Gestalterinnen und Gestalter in den Städten von morgen sein. Daher sollen auch die Perspektiven von Kindern und jungen Menschen das zur Entwicklung des Tempelhofer Felds eingebunden werden.

Für eine zielgruppengerechte Kinder- und Jugendbeteiligung werden im Dialogprozess geeignete und attraktive Formate bereitgestellt, die an ihre Kompetenzen wie Spontanität, Kreativität oder Begeisterungsfähigkeit anknüpfen.

Die Ergebnisse der Kinder- und Jugendbeteiligung werden dokumentiert und am ersten Dialogwochenende ausgestellt sowie von Jugendbotschafterinnen und -botschaftern vorgestellt. Somit gehen sie ein in die inhaltliche und visuelle Entwicklung von Perspektiven für das Tempelhofer Feld im Rahmen des Dialogprozesses.

Den Dialogwerkstätten folgt ein internationaler Ideenwettbewerb. Wie wird dieser ablaufen? Wer wird daran teilnehmen?

Direkt im Anschluss an die Dialogwerkstätten wird von Oktober bis November 2024 der Ideenwettbewerb vorbereitet. Die Ergebnisse der Dialogwerkstätten fließen als Aufgabenstellung in die Auslobung ein. Über die in den Dialogwerkstätten gewählten Sachpreisrichtenden ist sichergestellt, dass die dort geführten Diskussionen auch im Preisgericht vertreten werden.

In der ersten Phase des Ideenwettbewerbs ab Dezember 2024 wird zunächst der Ideenwettbewerb ausgelobt. Das bedeutet: die Ausschreibung wird veröffentlicht und internationale Büros für Stadtplanung, Architektur und Landschaftsarchitektur können ihre Ideen als Wettbewerbsbeitrag einreichen. Bei der ersten Preisgerichts-Sitzung wird ausgewählt, welche Wettbewerbsbeiträge eine Runde weiterkommen.

In der zweiten Phase konkretisieren die Wettbewerbsteilnehmenden, die weitergekommen sind, ihre Ideen und bauen diese weiter aus. Am Ende wählt das Preisgericht die Siegerbeiträge aus.

Eine Jury wird die Ergebnisse des Wettbewerbs bewerten. Wer gehört dieser Jury an und welche Kriterien liegen der Bewertung zu Grunde?

Aktuell wird noch an der konkreten Gestalt des Ideenwettbewerbs und der Jury getüftelt. Es ist vorgesehen, dass sich das Preisgericht aus 11-13 Fach- und Sachpreisrichtenden inklusive Stellvertretungen zusammensetzt: Das heißt: knapp die Hälfte des Preisgerichts wird durch die Sachpreisrichtenden gestellt.

Aus rechtlichen Gründen müssen die Fachpreisrichtenden eine Person mehr sein. Diese Fachpreisrichtenden werden dieselben Qualifikationen haben wie die Wettbewerbsteilnehmenden – sie müssen also eingetragene Stadtplanerinnen und -planer, Architektinnen und Architekten oder Landschaftsarchitektinnen und -architekten sein.

Die Bewertungskriterien für die Wettbewerbsbeiträge werden im Moment von dem externen Dienstleister Innovative Stadt- und Raumplanung GmbH vorbereitet und zusammen mit den Sachpreisrichtenden und den Fachpreisrichtenden besprochen und abschließend festgelegt.

Was passiert am Ende des Prozesses mit den Ergebnissen?

Am Ende des Prozesses stehen eine Vielzahl von Ergebnissen: inhaltliche und visuelle Beiträge aus der Kinder- und Jugendbeteiligung, die Empfehlungen aus den Dialogwerkstätten und die Entwürfe und Preisträger des Ideenwettbewerbs. Auf der dritten Dialogwerkstatt erarbeiten Sie Empfehlungen für die Zukunft des Tempelhofer Feldes. Im Abgeordnetenhaus ist dann zu entscheiden, welche Empfehlungen umgesetzt werden und ob dazu auch das THF-Gesetz geändert werden muss.

Beitrag vom 03.07.2024Dieses Werk ist lizenziert unter CC BY-ND 4.0

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